English: Handover / Español: Transferencia (de control o datos) / Português: Transferência (de controle ou dados) / Français: Transfert (de contrôle ou données) / Italiano: Passaggio (di controllo o dati)

Der Begriff Handover (auch Übergabe oder Wechsel genannt) beschreibt in der Informationstechnik und Informatik einen kritischen Prozess, bei dem die Kontrolle, Verwaltung oder Übertragung von Daten, Verbindungen oder Systemzuständen von einer Komponente, einem Knoten oder einem Protokoll an eine andere Instanz übergeht. Dieser Vorgang ist besonders in Netzwerken, Mobilfunkstandards wie 5G/LTE oder virtualisierten Umgebungen von zentraler Bedeutung, um nahtlose Betriebskontinuität zu gewährleisten.

Allgemeine Beschreibung

Ein Handover ist ein standardisierter Mechanismus, der sicherstellt, dass eine laufende Kommunikation oder ein Prozess ohne Unterbrechung von einem Systemteil an einen anderen übergeben wird. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Telekommunikation, wo er die Übergabe einer mobilen Verbindung zwischen Funkzellen (z. B. bei GSM, UMTS oder LTE) beschreibt. Heute wird der Begriff jedoch in vielfältigen Kontexten verwendet, darunter Cloud-Computing, Edge-Computing, IoT (Internet der Dinge) und sogar in der Softwareentwicklung bei der Übergabe von Code-Verantwortlichkeiten.

Technisch betrachtet lässt sich ein Handover in mehrere Phasen unterteilen: die Initiierung (z. B. durch Signalstärke-Messung im Mobilfunk), die Vorbereitung (Ressourcenreservierung im Zielsystem), die eigentliche Übergabe (Synchronisation der Zustände) und die Bestätigung (Erfolgsmeldung oder Rollback bei Fehlschlag). In virtualisierten Umgebungen, wie sie von Hypervisoren wie VMware oder KVM genutzt werden, ermöglicht der Live-Handover (auch Live-Migration) das Verschieben laufender virtueller Maschinen zwischen physischen Servern ohne Downtime – ein essenzieller Vorgang für Lastverteilung und Wartungsarbeiten.

Die Komplexität eines Handovers hängt stark vom Anwendungsbereich ab. Während in Mobilfunknetzen vor allem Latenzzeiten und Paketverluste minimiert werden müssen (gemäß 3GPP-Standards wie TS 23.401 für LTE), stehen in Rechenzentren Datenkonsistenz und Transaktionsintegrität im Vordergrund. Protokolle wie Mobile IP (RFC 5944) oder SCTP (Stream Control Transmission Protocol, RFC 4960) definieren spezifische Handover-Mechanismen für IP-basierte Netzwerke, während in der Industrieautomation OPC UA (IEC 62541) für nahtlose Steuerungsübergaben sorgt.

Ein zentrales Merkmal moderner Handover-Verfahren ist die nahtlose Redundanz: Systeme müssen in der Lage sein, Übergaben nicht nur geplant (z. B. bei Lastausgleich), sondern auch unvorhergesehen (z. B. bei Hardwareausfällen) durchzuführen. Hier kommen oft Stateful-Protokolle zum Einsatz, die den vollständigen Zustand einer Verbindung oder Sitzung übertragen – etwa in Datenbank-Clustern (z. B. PostgreSQL mit Hot Standby) oder bei Web-Servern (Session-Replikation in Apache Tomcat).

Technische Details

In Mobilfunknetzen wird zwischen harten (Hard Handover) und weichen (Soft Handover) Übergaben unterschieden. Bei einem Hard Handover (z. B. in GSM oder LTE bei Frequenzwechsel) wird die Verbindung zur Quellen-Funkzelle vollständig getrennt, bevor die Zielzelle übernommen wird – dies kann zu kurzen Unterbrechungen führen (typischerweise < 50 ms). Ein Soft Handover (in UMTS/WCDMA) hingegen ermöglicht eine parallele Verbindung zu beiden Zellen während der Übergabe, was die Zuverlässigkeit erhöht, jedoch mehr Netzwerkressourcen beansprucht. Die Entscheidung für einen Handover-Typ hängt von Faktoren wie Netzwerklast, Mobilitätsgeschwindigkeit des Endgeräts und Dienstgüte-Anforderungen (QoS) ab.

In Rechenzentren und Cloud-Umgebungen wird der Handover oft durch Orchestrierungs-Tools wie Kubernetes (für Container) oder OpenStack (für VMs) gesteuert. Kubernetes nutzt etwa den kube-controller-manager, um Pods (Container-Gruppen) zwischen Nodes zu migrieren, wobei der CRI (Container Runtime Interface) die Zustandsübertragung koordiniert. Kritisch ist hier die Storage-Live-Migration, bei der Speichervolumes (z. B. Ceph RBD oder NFS) synchron zwischen Hosts repliziert werden müssen, um Datenverluste zu vermeiden. Latenzzeiten spielen eine untergeordnete Rolle, solange die RTO (Recovery Time Objective) und RPO (Recovery Point Objective) eingehalten werden.

Ein weiteres technisches Konzept ist der Vertical Handover (auch Inter-System Handover), bei dem ein Endgerät zwischen unterschiedlichen Netzwerktechnologien wechselt – etwa von Wi-Fi (IEEE 802.11) zu 5G NR (New Radio). Hier sind Protokolle wie EAP-SIM (RFC 4186) oder 802.21 Media Independent Handover (MIH) relevant, die eine authentifizierte und nahtlose Übergabe ermöglichen. Solche Szenarien erfordern oft Multi-Homing-Fähigkeiten, bei denen ein Gerät gleichzeitig mit mehreren Netzwerken verbunden ist, um die Übergabe vorzubereiten.

Anwendungsbereiche

  • Mobilfunknetze: Übergabe von Mobilfunkverbindungen zwischen Funkzellen (z. B. bei Bewegung des Nutzers) oder Technologiewechsel (4G → 5G), gesteuert durch Standards wie 3GPP TS 23.401 (LTE) oder TS 38.300 (5G NR).
  • Cloud-Computing: Live-Migration virtueller Maschinen oder Container zwischen physischen Servern zur Lastverteilung oder Wartung, implementiert durch Hypervisoren (VMware vMotion, KVM) oder Container-Orchestrierung (Kubernetes).
  • Industrie 4.0: Übergabe von Steuerungsaufgaben zwischen Edge-Geräten oder PLCs (Speicherprogrammierbare Steuerungen) in Echtzeit-Umgebungen, oft basierend auf OPC UA oder TSN (Time-Sensitive Networking, IEEE 802.1Q).
  • IoT und M2M-Kommunikation: Nahtlose Übergabe von Geräteverbindungen zwischen Gateways oder Basisstationen, etwa in Smart Cities oder logistischen Trackingsystemen.
  • Datenbank-Systeme: Failover-Mechanismen in Cluster-Umgebungen (z. B. MySQL Group Replication, MongoDB Replica Sets), bei denen Schreiboperationen auf einen neuen Primärknoten übertragen werden.

Bekannte Beispiele

  • 5G NSA (Non-Standalone): Hier erfolgt ein Dual-Connectivity-Handover zwischen LTE (als Anker) und 5G NR, wobei das Endgerät gleichzeitig mit beiden Netzwerken verbunden bleibt, um Latenz zu minimieren (spezifiziert in 3GPP Release 15).
  • VMware vMotion: Ermöglicht die Live-Migration virtueller Maschinen zwischen ESXi-Hosts ohne Unterbrechung, wobei Speicher über NFS/iSCSI synchronisiert wird. Die Technologie nutzt Changed Block Tracking (CBT), um nur geänderte Datenblöcke zu übertragen.
  • Kubernetes Pod Migration: Bei Node-Ausfällen oder Skalierungsaktionen werden Pods automatisch auf andere Nodes verschoben, wobei der kubelet-Agent die Ressourcen reserviert und die Container neu startet.
  • VoIP-Session Handover: In SIP-basierten Telefoniesystemen (RFC 3261) ermöglicht Session Mobility die Übergabe eines aktiven Anrufs zwischen Geräten (z. B. vom Smartphone zum Desktop-Client).
  • Autonomes Fahren: Übergabe der Steuerungshoheit zwischen Fahrassistenzsystemen (z. B. von Tesla Autopilot an den Fahrer) oder zwischen Edge-Servern in V2X-Netzwerken (Vehicle-to-Everything).

Risiken und Herausforderungen

  • Datenverlust oder Inkonsistenz: Bei unvollständiger Zustandsübertragung (z. B. in Datenbank-Clustern) können Transaktionen verloren gehen oder Doubletten entstehen. Lösungen wie Two-Phase Commit (2PC) oder Paxos-Algorithmen erhöhen die Komplexität.
  • Latenz und Jitter: In Echtzeit-Systemen (z. B. Industrieautomation) können selbst kurze Übergabezeiten zu Produktionsfehlern führen. TSN (Time-Sensitive Networking) adressiert dies durch deterministische Zeitplanung.
  • Sicherheitslücken: Handovers können Angriffsvektoren für Man-in-the-Middle-Attacken bieten, etwa bei unverschlüsselten Wi-Fi-zu-Mobilfunk-Übergaben. Abhilfe schaffen Protokolle wie IEEE 802.11r (Fast BSS Transition) mit PMK-Caching.
  • Ressourcenkonflikte: Bei parallelen Handovers (z. B. in dicht besiedelten Mobilfunkzellen) kann es zu Überlastungen kommen. LTE-A nutzt hier Inter-Cell Interference Coordination (ICIC).
  • Vendor-Lock-in: Proprietäre Handover-Implementierungen (z. B. in Cloud-Umgebungen) können die Portabilität einschränken. Offene Standards wie OpenStack oder CNCF-Projekte (Cloud Native Computing Foundation) wirken dem entgegen.

Ähnliche Begriffe

  • Failover: Automatische Umschaltung auf ein redundantes System bei Ausfall des Primärsystems (z. B. in Datenbank-Clustern). Im Gegensatz zum Handover ist ein Failover meist reaktiv und nicht immer zustandsbehaftet.
  • Load Balancing: Verteilung von Lasten auf mehrere Systeme, wobei jedoch keine explizite Zustandsübertragung stattfindet. Handovers sind oft Teil von Load-Balancing-Strategien (z. B. in Kubernetes).
  • Roaming: Wechsel zwischen Netzwerken verschiedener Betreiber (z. B. Mobilfunk-Roaming), wobei der Handover nur die technische Übergabe innerhalb eines Netzes beschreibt.
  • Checkpointing: Speichern des Systemzustands zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. in HPC-Anwendungen), während ein Handover die aktive Übergabe dieses Zustands umfasst.
  • Session Mobility: Übergabe einer Benutzersitzung zwischen Geräten (z. B. von Smartphone zu Laptop), oft basierend auf Handover-Mechanismen in der Anwendungsschicht (z. B. über WebSockets).

Zusammenfassung

Der Handover ist ein fundamentaler Prozess in der modernen Informationstechnik, der die nahtlose Übergabe von Kontrolle, Daten oder Verbindungen zwischen Systemkomponenten ermöglicht. Ob in Mobilfunknetzen, Cloud-Infrastrukturen oder industriellen Steuerungssystemen – die zuverlässige Umsetzung von Handovers ist entscheidend für Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit und Benutzererfahrung. Technisch erfordert dies präzise Protokolle, redundante Systeme und oft Echtzeitfähigkeiten, wobei Standards wie 3GPP, IEEE oder IETF RFCs die Interoperabilität sicherstellen. Herausforderungen wie Latenz, Datenkonsistenz oder Sicherheit müssen durch spezifische Lösungen (z. B. TSN, Paxos oder MIH) adressiert werden. Mit der zunehmenden Vernetzung durch 5G, IoT und Edge-Computing wird die Bedeutung von Handovers weiter steigen, insbesondere in Szenarien mit hoher Mobilität oder kritischen Echtzeit-Anforderungen.

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